Sandra Hörger

Ein Interview mit der Autorin und Drehbuchautorin Sandra Hörger

Sandra Hörger, Jahrgang 1968, ist in München als freie Autorin tätig. Nach Abschluss ihres Magisters in den Fächern Philosophie, Germanistik und Kirchengeschichte, studiert sie chinesische Archäologie im Promotionsstudiengang.

Filmografie:

1998 - „The Ring of the Buddha“ (Dokumentar-Spielfilm)
1999 - “Schwarze Sonne” (Thriller)
1999 - „Robodog“ (Thriller)
2000 - „Halbmond über den Pyramiden“ (Dokumentarfilmserie)
2001 - „Cruising“ (Spielfilm)
2001 - „Tauchfahrt in die Vergangenheit“ (deutsche Bearbeitung von zwei Folgen)
2001 - „Das letzte Geheimnis“ (Mystery-Krimi)
2001 - „Donnerlottchen und der heilige Benedikt“ (Kinderfilm)
2001 - „Julianna“ (Medizin-Thriller)
2002 - „Krabat und die Teufelsmühle“ (Kinofilm)

Frau Hörger, Sie haben bereits mit zwölf Jahren begonnen an Ihrem ersten Roman „Licht der Ewigkeit“ zu arbeiten. Wie kommt man schon in diesem Alter dazu, sich dem Thema „Schreiben“ zu nähern?

Als ich noch klein war, lebte ich in einer Welt voller Tagträume. Ich hatte sogar so etwas wie „Freunde“ in diesem inneren Reich der Fantasie. Mit ihnen erlebte ich unendliche Abenteuer, freute mich mit ihnen, litt mit ihnen. Ich konnte stundenlang für mich allein sein und diese inneren Abenteuer bestehen.

Mit zwölf begann dann allmählich die Realität mich einzuholen. Ich merkte, dass ich erwachsen werde. Auch auf den Büchern, die ich las, und den Spielsachen, mit denen mein Bruder und ich spielten, stand unübersehbar - „drohend“ möchte ich fast sagen - eine Altersgrenze zu lesen: 12 oder 13. Ich hatte plötzlich Angst, eines Tages „erwachsen“ aufzuwachen und den Zugang in diese Welt der Fantasie verloren zu haben.

Eine Weile war ich verzweifelt. Und ratlos. Dann entschloss ich mich, alles aufzuschreiben. Es festzuhalten. So begann ich zu schreiben: 1936 Seiten per Hand - getippt waren es später fast 1500 -, sieben verschiedene meiner inneren Welten und die Charaktere und Geschichten meiner wichtigsten Fantasiefreunde.

Wie lange arbeiteten Sie an diesem, insgesamt 1500 Seiten umfassenden Werk?

Drei Jahre.

Haben Sie je daran gedacht „Licht der Ewigkeit“ zu veröffentlichen?

Ja. - Auch wenn es nicht zu diesem Zweck geschrieben worden ist. Aber vielleicht tue ich es noch eines Tages. Nachdem ich es überarbeitet habe.

Durch dieses Epos ergaben sich Kontakte zum Humboldt-Zentrum für Geisteswissenschaften der Universität Ulm, wo Sie mit 17 Jahren Ihr Philosophiestudium begannen. War das der endgültige Auslöser als Autorin tätig zu werden oder gab es auch andere Berufswünsche?

Ja, es war der Auslöser Autorin zu werden und nein, es gab nie andere Berufswünsche. Oder doch, einen: Eine Weile wollte ich malen. Meine Fantasieerlebnisse mit Ölfarben in die richtige Welt bringen, doch diese Phase dauerte nicht allzu lange, dann fand ich heraus, dass es mir um vieles mehr liegt, diese inneren Bilder mit Worten als mit dem Pinsel aufzumalen.

Wie reagierte Ihr Umfeld, Familie und Freunde, auf diesen Entschluss?

Als „Licht der Ewigkeit“ fertig war, gab ich es meiner Mutter zu lesen, die sehr überrascht und auch sehr beeindruckt war. Da aber meine Eltern nicht genau wussten, was sie mit meinem Talent anfangen sollten, holten sie sich Rat bei einem alten Professor des Humboldt-Studienzentrums. Dieser las das Buch und riet ihnen: „Wenn sie nur irgendwie dazu in der Lage sind, dieses Kind zu unterstützen, dann lassen sie es schreiben, lassen sie es jeden Weg gehen, den es will. Ich habe selten so etwas gelesen.“

Meine Eltern gaben mir einen Ring zum Zeichen, dass sie an mich glauben und alle Zeit für mich da sein werden. Und das haben sie getan und tun sie noch heute. Egal, welche Kapriolen mein Leben schlägt und welchen Weg ich ausprobiere.

Diesen Ring habe ich nie abgelegt, ihn immer wie ein quasi verkörperlichtes Versprechen, wie einen Talisman und ein Amulett gegen die Enttäuschungen dieser Welt getragen. Bis 1998. Bei Dreharbeiten in Nepal stach mich irgendein merkwürdiges, kleines Insekt in den Finger, der sofort aufschwoll und sich verfärbte, weil der Ring die Schwellung abschnürte. Es tat höllisch weh, doch ich hätte fast lieber den Finger als den Ring verloren. Alle sagten, der Ring müsse aufgeschnitten werden. Stunden später gab ich dann nach. Mit einer Zange zwickte man ihn auf. Er sprang vom Finger und war verloren – irgendwo unauffindbar an einem Hang des Himalaya.

Seit 1998 sind Sie auch als Drehbuchautorin tätig. Wie kam es dazu?

Als Archäologiestudentin machte ich Recherchen und „Fachberatung“ für einen Dokumentarfilm des Bayerischen Rundfunks. Während der Zusammenarbeit fragte mich der Produktionsleiter, ob ich denn nicht zum Fernsehen kommen wolle? Warum nicht, dachte ich mir. Es ist nie schlecht, Wege zu gehen, die einem das Leben vorschlägt. So kam ich zum Bayerischen Rundfunk und wurde schließlich für eine RTL-Produktion abgeworben. Wieder um zu recherchieren. Beim Lesen meiner Recherchen entdeckte die damalige Produktionsfirma, dass ich am besten gleich selber das Drehbuch schreibe, statt nur zuzuarbeiten. Seither schreibe ich Drehbücher.

Haben Sie sich auf ein besonderes Genre spezialisiert? Wo sehen Sie persönlich Ihre Schwerpunkte in diesem Bereich?

Eigentlich schreibe ich genauso leidenschaftlich Spiel- wie Dokumentarfilme. Beides hat seinen Reiz. Bei einem Dokumentarfilm taucht man in das Fremde oder Vergangene ein und versucht die jeweilige Realität in ihrem Wesen zu erfassen. Beim Spielfilm hingegen erschafft man die Illusion einer neuen Wirklichkeit. Beides, wie gesagt, ein wunderbares Erlebnis.

Was reizt Sie am Schreiben und am Drehbuchschreiben im Besonderen?

Wenn ich schreibe, lebe ich für Stunden in einer anderen, immer wieder neuen Welt. Ich übernehme die Vergangenheit unbekannter Menschen, kann in fremde Persönlichkeiten schlüpfen, andere Gefühle empfinden und Gedanken erfassen, eine andere Lebensgeschichte erfahren als meine eigene. Das Leben in all seinen Möglichkeiten und Variationen auszuprobieren – und sei es auch nur im Geist – das ist für mich der Reiz am Schreiben.

Welches Ziel möchten Sie bei den Zuschauern erreichen?

Es ist nicht so, dass ich ein Ziel erreichen möchte. Ich schreibe nicht auf ein Ziel hin, sondern aus dem Leben heraus. Wenn die Geschichte, die ich erzähle, Leute so fesselt und begeistert und ihnen so schöne und interessante Stunden schenkt, wie mir während des Schreibens, so ist das für mich Ziel genug.

Woher bekommen Sie die Ideen für Ihre Drehbücher?

Manchmal geben mir Produktionsfirmen Stichworte, mit denen meine Fantasie so lange jongliert, bis sich plötzlich eine Geschichte formt. Ich sehe dann unvermittelt kurze Sequenzen, wie Filmausschnitte. Personen, die etwas tun oder denen etwas passiert. Wenn die erste Sequenz da ist, kommen schnell immer mehr hinzu, bis in mir die gesamte Geschichte fertig ist. Häufig löst diesen Prozess auch eine Schlagzeile aus, die ich lese, oder ein Satz, den ich zufällig höre, oder ein Ereignis, das ich beobachte.

Gibt es irgendeinen besonderen Ort, wo Ihnen die meisten Ideen kommen?

Nein.

Besetzen Sie die einzelnen Rollen in Ihren Drehbüchern bereits im Vorfeld in Gedanken?

Nein.

Zum Schreiben gehört für mich auch das Lesen dazu: Was lesen Sie privat?

Sachbücher und Bildbände über fremde Länder und untergegangene Kulturen, Mystery und intelligenten Horror, aber auch historische Romane über das alte Ägypten.

Was ist das besondere an diesem Genre für Sie?

In allen Fällen ist es das Hineingezogenwerden in eine fremde Welt, die mich reizt.

Was verbinden Sie mit dem Lesen, bsp. entspannen oder eher anspannen, Erholung oder Aufmerksamkeit?

Alles auf einmal. Ich entspanne mich am besten dort, wo etwas meine ganze Aufmerksamkeit fesselt, mich von allem anderen ablenkt und meine Spannung hält.

Was ist Ihr persönliches Lieblingsbuch?

Das jeweilige Buch, das ich gerade lese, bei dem ich mich darauf freue und gespannt bin, es weiterzulesen. Es gibt kein bestimmtes Buch, das ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde, wenn Sie das meinen. Wenn diese Situation einträte, würde ich mir ein neues auswählen; eines, das ich noch nicht angefangen habe zu lesen. Mein Lieblingsbuch ist stets jenes, das noch unbekannte Seiten und Überraschungen für mich bereit hält.

Die Bücher welches Autors lesen Sie ganz besonders gerne?

Gerade habe ich „Die Prophetin von Luxor“ von Suzanne Frank sehr genossen.

Gibt es ein Thema, ein Werk oder eine Persönlichkeit über die Sie selbst gerne einmal schreiben würden?

Ja. Ein Thema, von dem ich seit langem träume und zu dem es bereits erste Entwürfe gibt. Doch solange es nicht fertig ist, möchte ich dazu nichts sagen.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Mit meinem Freund ein harmonisches, liebevolles Leben führen – und schreiben. Viel schreiben. Romane, Spiel- und Dokumentarfilme. Aber vor allem außergewöhnliche, bildgewaltige Kinofilme. Das ist mein Traum und damit auch mein Plan für die Zukunft.

Gibt es einen Wunsch, den Sie sich unbedingt erfüllen möchten, in bezug aufs Schreiben oder auch ansonsten?

Es gibt Wünsche, die ich habe, ja, aber die kann ich mir leider nicht selbst erfüllen. Vielleicht auch gut so, was täte man schon mit einem Leben, in dem man sich immer jeden Wunsch erfüllen könnte? Wäre ja langweilig. Praktisch ein Leben ohne Hoffung, denn wozu bräuchte man Hoffnung, wenn sowieso alles problemlos zu erreichen wäre?

Welchen Beruf würden Sie ausüben, wenn Sie nicht schreiben würden?

Ich schreibe, seit ich denken kann. Als Beruf kann ich mir kaum etwas anderes vorstellen. Doch, hätte ich eine andere Wahl treffen müssen, so wäre ich den Weg als Archäologin für Ägypten oder China weitergegangen.

Frau Hörger, vielen Dank für das Interview!

erschienen im Lesestoff Leipzig, Ausgabe 04/2002

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